1999 Informations- und Kommunikationszentrum (IKA) in Berlin Adlershof

Uni Bibliothek

1. Preis

Der geschichtslose Ort reizte uns ebensowenig wie der musealisierte Ort. Im Entwurfsprozeß für den Neubau des Erwin-Schrödinger-Zentrums der Humboldt-Universität waren die universitäre Nutzung, die Geschichte des Ortes, das städtische Umfeld und die Einbindung in das globale Netzwerk der Wissenschaft zu jeder Zeit so präsent, dass eher von einem Findungsprozeß als von der Erfindung einer neuen Form gesprochen werden kann. Der so entstehende Geschichtsbegriff bezieht sich nicht allein auf real existierende Gebäude, sondern auch auf „Ideengeschichte“.

So überlagerten sich im Wettbewerbsprojekt zwei räumliche Szenarien – jenes alter Werkhallen für den ehemaligen Flugplatz Berlin Johannisthal-Adlershof und die Idee einer zeitgenössischen Freihandbibliothek mit zentralem Lesesaal und Foyer. Die Einarbeitung der verschiedenen architektonischen Schichten erfolgte jeweils in Orientierung an diesen beiden Szenarien.

Alt und neu treffen unvermittelt und spannungsgeladen aufeinander, es wird direkt angebaut. Texturen, Oberflächen und Farben werden bewußt ins Verhältnis gesetzt – zu einem neuen „Ganzen“ geschichtet. Inszenierungen zur Überhöhung des einen oder des anderen werden bewußt vermieden. Eine räumliche Struktur wird weitergesponnen. Dabei wird die Atmosphäre des rohen Materials – der alten Flugzeughallen – erhalten und ergänzt, so daß die Geschichte des Standorts auch in den neuen Teilen der Bibliothek spürbar ist. Eine Entstehungsgeschichte wird mit neuen Inhalten weitererzählt. Die Implantation einer High-Tech Welt in einer Umgebung aus den Anfängen der Luftfahrt wird ohne Überbewertung des einen oder des anderen vollzogen; in einer Zeit rasend schneller Themenwechsel wird nicht das Kurzlebige inszeniert sondern nach „sozialer Proportion“ geforscht. Wie in einer Erzählung entsteht das „Staunen“ nicht durch eine absurde große Geste, sondern durch neue Zusammenhänge, Verweise, Neubewertungen und Interpretation. Die Qualität einer vielschichtigen Stadt beweist sich nicht auf dem Luftbild, auf dem Hochglanzphoto oder durch ein Funktionsdiagramm, sondern z.B. in der Möglichkeit, vielfältige kulturelle und architektonische Schichten auch im Detail zu entdecken.

In der Bibliothek begegnen sich Gedanken und Wirklichkeit. Die in sich gekehrte Welt des Lesers wird unterbrochen durch den Blick in die Ferne. Der Blick wandert durch den Raum, fokussiert an neuen oder alten Bauteilen, ermöglicht Orientierung, Besinnung und Analyse. Er schweift weiter durch Bücherreihen zum universitären Leben außerhalb des Gebäudes. Räumliche und zeitliche Folgen werden erlebbar und faßbar – nicht nur in Bewegung, sondern auch im Verweilen. Schichten entstehen.

Jahr1999
Verfahrenbegrenzt offenes Verfahren
AusloberSenatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr
StandortBerlin Adlershof
BGF16.048 qm