2021 Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Göttingen

DLR Göttingen

3. Preis

Der Wettbewerbsbeitrag ist das Resultat eines internen Dialogs, inwieweit es möglich ist mit einem beinahe vollständigen Abriss des Bestands und einem einzelnen Neubau, im Sinne einer Blockrandbebauung, einen einheitlichen modernen Campus mit durchgängigen Aufenthaltsqualitäten entstehen zu lassen. Ziel des Entwurfs ist es den neuen Innenhof zwischen den Gebäuden 1,3,4 und 8 als einen Teil des neuen grünen Campus der DLR und nicht als einen verschlossenen introvertierten Ort zu entwickeln. Großzügige Öffnungen im Erdgeschoss des neuen Institutsgebäudes ermöglichen eine fließende Verbindung und zugleich einladende Geste in das Herz des neuen Campus – der Innenhof. Die Positionierung des Zentralarchivs bindet die Freifläche gegenüber der vorhandenen Mensa geschickt ein. Die neue Wegeführung und Freiraumplanung bietet einladenden Aufenthaltsbereiche entlang der Verbindungsachse zwischen dem Vorplatz Mensa / Zentralarchiv und dem Durchgang – zugleich Haupteingang des Institutsgebäudes – zum grünen Innenhof.

Konstruktion und Fassade Material

Die einfache und maßvolle Bauweise zielt auf die Balance von Ressourceneinsatz, Raumklima und Grundrissflexibilität. Massive Außenwände zusammen mit Stahlbetondecken und -stützen vereinen dabei Komfort und Nachhaltigkeit auf eine einfache, wirtschaftliche Weise.
Eine klare innere Struktur ermöglicht ein Gebäude, das über seine erste Nutzung hinausgehen kann.

Mit dem Ziel, möglichst frei bespielbare und dem Wandel der Arbeitsschwerpunkte anpassbare Räume zu schaffen, bietet der Neubau eine einfache Grundstruktur:
Zentrale Schächte mit zugehörigen dienenden Räumen in der Mitte des Neubaus versorgen die angrenzenden Labore und Büros. Bei einem zweckmäßigen Fassaden- und Ausbauraster von 1,25m erlaubt die vorgeschlagene Hauptstruktur mit Stützabständen von 5,00m eine optimierte Ausbildung des Tragwerks im Erd- sowie in den Obergeschossen. Im Erdgeschoss werden die großen Spannweiten der hohen Labore mit Hallenbindern aus Betonfertigteilen, die mittig auf Stahlbetonstützen aufliegen, ermöglicht. In den Obergeschossen reduzieren sich die Spannweiten durch eine geringere Gebäudetiefe in den Bereichen der Büros und der kleineren Labore. Somit können ab dem 1. Obergeschoss Flachdecken verbaut werden, die eine effektive und einfache Installationsführung ermöglichen. Die resultierende Deckenstärke von ca. 30cm plus Estrich auf Trennlage erlauben zudem den Verzicht auf eine zusätzliche Schalldämmung. Die thermische Bauteilaktivierung in den Stahlbetondecken verstärkt den klimatischen Komfort in einem nachhaltigen Sinne. Der Ausbau erfolgt größtenteils in Leichtbauweise und ist damit die Basis einer flexiblen Raumaufteilung.

Die hochwärmedämmenden Verbundfenster erhalten einen integrierten Sonnenschutz. Ab dem 1. Obergeschoss wirkt eine vorgehängte Fassade aus farbigem Lochblech wie eine zweite Haut. Die beweglichen metallischen Sonnenblenden dienen als zusätzlicher Blendschutz und erzeugen im Zusammenhang mit außenliegenden Stegen einen Schwellenraum zwischen Außen (Campus) und Innen (Labor/Büro).
Die Anmutung der Fassade lebt daher vom Wechsel weißgrauer Sichtbetonelementen, reflektierenden Glasflächen und schimmernden weißen Lochblechpaneelen.
Die Gründung und Außenwände im Untergeschoss sind aus WU-Beton gefertigt und bietet im Zusammenspiel mit einer druckfesten Schaumglasdämmung eine dauerhafte, effiziente und recyclebare Konstruktion.

 

 

Brandschutz

Bei dem Neubau handelt es sich um ein Gebäude der Gebäudeklasse 5. Die tragenden und aussteifenden Wände und Stützen werden wie die Geschossdecken aus Stahlbeton geplant. Die erforderliche Feuerwiderstandsfähigkeit kann gemäß §26 der NBauO gewährleistet werden. Es werden Nutzungseinheiten mit je <400qm ohne notwendige Flure ausgebildet, die jeweils zwei unabhängige bauliche Flucht- und Rettungswege zu Treppenräumen haben, die im EG ins Freie führen.

Ökonomie und Ökologie

Ökonomie und Ökologie liegen nicht im Gegensatz sondern sie verfolgen gemeinsame Interessen. Zum Vorteil beider Eigenschaften wurde eine kompakte Gebäudeform gewählt. Die Flexibilität des Gebäudes erhöht die Langlebigkeit und reduziert so die graue Energie. Die Heizung erfolgt über das angrenzende Wärmenetz. Zusätzlich wird eine Absorptionskälteanlage eingesetzt, die es ermöglicht auf sehr ökologische Art und Weise die Fernwärme gleichzeitig in eine Kühlung umzuwandeln. Strategisch gut positionierte Schächte ermöglichen es auf direktem Wege die Zu- & Abluft, Heizung und Kühlung in alle Bereiche des Gebäudes unkompliziert zu verteilen. Der Stahlbetonanteil in den Decken, Treppen- und Aufzugskernen erhöht die thermische Masse und trägt zusätzlich zur Nachtauskühlung bei. Partielle Betonkernaktivierungen unterstützen ein positives Raumklima. Um die solaren Gewinne einzudämmen werden Fenster mit Dreifachverglasung und innenliegendem Sonnenschutz eingesetzt. Das Dach erhält eine Extensivbegrünung und wird mit Photovoltaik ausgestattet, um einen Teil der elektrischen Energien autark zu erzeugen. Der Einsatz von Grauwasser wird gezielt genutzt. Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und kommt nach einer internen Filterung erneut zum Einsatz.

Architektur

Das Anforderungsprofil des Campus mit erhöhter Sicherheit und Zugangskontrolle beruht auf den Forschungsarbeiten des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ähnliche Anforderungen bestehen intern zum Teil bei Laboren mit hochsensiblen Apparaturen und Messgeräten. Moderne Architektur mit hoher Durchlässigkeit steht zu Teilen im Widerspruch zu oben genannten Eigenschaften. Der Entwurf thematisiert mit seinem geschlossenen und zugleich transparenten Erscheinungsbild dieses Paradox auf architektonische Weise. Der größtenteils massive und geschlossene Sockel und die fein perforierte zweite Außenhaut gehen gezielt auf die Thematik ein. Die Fassade besteht primär aus vorgehängten Sichtbetonelementen. Ab dem 1. Obergeschoss verkörpert eine vorgehängte Fassade aus farbigem Lochblech eine zweite schützende Haut. Die beweglichen metallischen Sonnenblenden dienen als zusätzlicher Blendschutz und können bei Bedarf geöffnet werden für die Zufuhr von Licht und Luft. Im Verbund mit außenliegenden Stegen erzeugen sie einen Schwellenraum zwischen Außen- (Campus) und Innenraum (Labor/Büro). Durch die gezielten Öffnungen des Erdgeschosses öffnet sich der neue Innenhof bewusst dem restlichen Grundstück und es entsteht ein einheitlicher und einladender Campus. Das Gebäude ist einfach in seiner Ordnung und doch anspruchsvoll in der Gestaltung und Architektur. Eine klare Struktur im Inneren und Äußeren, sowie gezielte Blickbeziehungen zum Bestand geben dem Wettbewerbsbeitrag eine besondere Qualität.

 

Beratung: AMA Brandschutz

Team:  Kinga Krawczyk , Paul Gössler

Jahr2021
VerfahrenRealisierungswettbewerb
StandortGöttingen