Die Gleisanlagen des Ulmer Bahnhofes bilden heute eine ausgeprägte städtebauliche Zäsur. Ursprünglich am Rand der historischen Stadt angelegt und nahezu unüberwindbar, erzwangen sie eine Entwicklung der beidseitig angrenzenden Gebiete separat voneinander und sehr heterogen zu Rest- und Gewerbeflächen. Im Zuge des Ausbaus des MIV hat der Bahnhof seinen Vorplatz und seine unmittelbare Anbindung an die Innenstadt verloren. Der Bahnhof ist heute kein attraktiver Ort.
Ulm wird sich entwickeln, indem die losen Enden der städtebaulichen Entwicklung verknüpft werden und die sich durch Nutzungsänderungen und -Entfall bietenden Chancen ergriffen werden.
Der Bahnhof ist neben Rathaus und Kirche einer der zentralen Orte einer Stadt.
Der Neubau wird in einem neu formulierten mehrdimensionalen Stadtraum platziert. Dieser Stadtraum spannt sich zwischen dem Gesundheitszentrum im Süden, der Veranstaltungshalle im Norden, den Bauten von Hotel und Kongresszentrum am Gleisbereich im Westen und schließlich der Randbebauung der Friedrich-Ebert-Straße mit der zukünftigen Sedelhof-Bebauung auf. Durch die Etablierung eines unteren und eines oberen Platzniveaus wird der gesamte Bereich mit den angrenzenden Stadtebenen höhengleich verknüpft.
Um den Stellenwert des Ulmer Hauptbahnhofes als Ort in der Stadt und als Ort der Anbindung an regionale und internationale Zentren erkennbar und erlebbar zu machen, und gleichzeitig seine Einbindung in das städtische Gefüge zu stärken, bedarf es einer insgesamt rücksichtsvollen, im Detail entschlossenen Stadtergänzung. Die verschiedenen Stadtgebiete Innenstadt, Theaterviertel und Schillerviertel werden jeweils in Fortführung ihrer gewachsenen Struktur an den Bahnhofsbereich herangeführt und dort mit der großformatigen Struktur der Bauten des Bahnhofs und seiner direkten Umgebung verschnitten. Durch die Anordnung von einzelnen Hochpunkten werden die Nutzungsschwerpunkte betont und der städtebauliche Maßstab des technischen Eisenbahnbereiches strukturiert.
Der Bahnhof ist ein öffentlicher Ort. Diesem Anspruch entspricht seine Position im Stadtgefüge. Diesem Anspruch entspricht die Entscheidung für den quadratischen Hallentypus und die offene Gestaltung der Fassade.
Der Bahnhof setzt ein Zeichen. Die städtebaulichen Räume Bahnhofstraße, unterer südlicher Bahnhofsplatz, oberer nördlicher Bahnhofsplatz und die Bahnhofspassagen erhalten ihre Eigenständigkeit in Proportion und Maßstab durch die Positionierung des neuen Bahnhofsgebäudes.
Der Bahnhof hat Struktur. Sein räumliches Gefüge ist entwickelt aus den unterschiedlichen Richtungen und Höhenlagen der öffentlichen Räume, die alle in das Gebäude hineingeführt sind. Das Wechselspiel von Galerien, Treppen und technischen Förderanlagen schafft einen spannungsreichen öffentlichen Innenraum. Alle öffentlichen Nutzungen des Bahnhofs, vom Reisezentrum bis zum Fast Food Restaurant, vom Markt im Bahnhof bis zur Stadtinformation, notwendige Serviceanlagen und Sicherheitseinrichtungen sind in diesem Raum organisiert. Oberhalb des südlichen Bahnhofseinganges, hoch über dem unteren Bahnhofsplatz, ist ein Restaurant als ganz besonderer Ort in die Konstruktion hineingehängt.
Der Bahnhof hat ein Gesicht. In der Fassade des Bahnhofs spiegeln sich die verschiedenen Maßstäbe. Während die unteren Fassadenbereiche hoch transparent entworfen sind, um Ein-, Aus- und Durchblicke von Stadt zur Bahn zu ermöglichen, wird in den oberen Geschossen die tragende Struktur mit den kleinteiligen Nutzungen von einem hellen Schleier aus nachts erleuchteten Glaselementen umhüllt, der einen markanten, identifizierbaren Gestus bildet. Der Bahnhof strahlt in die Stadt, und auch Bahnreisende werden erkennen, dass sie in Ulm angekommen sind. Ebenso wird aus dem Dichterviertel die Nähe zum Bahnhof sichtbar.
Der Bahnhof gibt Raum. Anders als das bisherige Bahnhofsgebäude wird dem Reisenden im Neubau eine klare Struktur mit einfacher, offensichtlicher Wegeführung angeboten. Sowohl auf der Souterrain-Ebene, dem tief liegenden Bahnhofsplatz, wird ausreichend Raum geschaffen für die notwendigen Wegebeziehungen und Erschließungselemente, als auch auf der Parterre-Ebene der Friedrich-Ebert-Straße. Auf dieser Ebene organisiert sich in bester Tradition eines Marktplatzes eine freie Ebene, auf der vielfältige, abwechslungsreiche Nutzungen ihren Ort finden werden.
Team: Bernhard Gössler, Felix Schippmann, Daniel Kinz.
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